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Zweimal Hoch auf die Sensibilität - Er

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Mitternacht, irgendwo in der Menge auf dem Herzberg-Festival sagte sie zu mir: "Du bist kein Mann für mich!" Ich habe mich hier und jetzt von ihr getrennt und es war mir egal, wo ich penne. Als ich nicht konnte, nannte sie mich "Schlappschwanz", um meine Lust zu provozieren. Ich hatte nie ein Problem mit meiner Feminität oder Androgynität. Nein, ich war stolz auf sie und war verletzt, wenn sie abgelehnt wurde. Vielmehr habe ich versucht, meine Männlichkeit abzulehnen, was immer schwerer wurde, da ich mit dem Rasierer keine Chance gegen meine ausgeprägte männliche Körperbehaarung hatte, die dann auch abgelehnt wurde. "Du hast den Körper eines 30-Jährigen." Sie sagte, dass ich mit meiner Weiblichkeit männlicher wäre, als die meisten seien. Dafür bin ich ihr immer noch dankbar. Ich habe akzeptiert, dass ich ein Mann bin, aber ich akzeptiere nicht, was Männer sind! Ich akzeptiere nicht, dass Männer keine Gefühle zeigen dürfen, denn dafür fühlt es sich zu gut an, sich ihnen hinzugeben. Ich akzeptiere nicht, dass Männer keine Schmerzen kennen, denn ich will nicht nochmal laufen lernen müssen. Trotzdem wollte ich kein stereotypischer Mann sein, aber ich kenne nichts anderes.

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Ich habe viel getan, um männlich zu sein

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Aufgewachsen als Naturbursche, der den Altrhein mit dem Kanu erkundet hat, der mit 12 nach Porquerolles gepaddelt ist und abends keine Kraft in den Armen hatte, um zu essen, der das Skigebiet Crans Montana täglich 2 - 3 Mal komplett abgefahren ist, der 6 Wochen lang 1000km gelaufen ist und sich nie die Zeit genommen hat, um sich wirklich zu fragen, warum er hier ist und den 50km nächtlichen Gewaltmarsch über das eiserne Kreuz nur überstanden hat, weil er seine Schmerzen weggekifft hat. Ja, ich war hart, ich war unnachgiebig und ich habe es ihnen bewiesen, dass ich ein Mann bin, dass ich Bear Grills sein kann, aber ich war getrieben.

Ich habe Judo, Jiu-Jitsu, Kickboxen und Fechten trainiert, ich war bereit, jeden wie Kratos in der Luft zu zerfetzen, der mich und meine Lieben verletzen wollte. Ich wollte nie ein Zerstörer sein. Alles, was ich getan habe, war männlich, aber ich habe es nur getan, um männlich zu sein.

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Neue Vorbilder

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Hätte ich Oliver (Charakter von The Bold Type, Hinweis Redaktion) früher kennengelernt, hätte ich mich schon viel früher meinem Gespür für Mode offen hingegeben.

Zum Glück habe ich so früh JD kennengelernt, der mir gezeigt hat, was es bedeutet, zu fühlen und emphatisch zu sein.

Wie auch die Weiblichkeit unterliegt Männlichkeit den Bildern, die Familie, Gesellschaft und Medien uns zeigen und vorleben und uns zeigen, was wir sind und was wir sein dürfen.

Selten wird ein Mann gezeigt, der weint, weil seine Gefühle verletzt wurden. Selten wird ein Mann gezeigt, der verletzlich oder empfindlich ist. Selten wird ein Schwuler gezeigt, der aber männlich as fuck ist. Sind wir weniger männlich, wenn wir Gefühle zeigen, verletzlich sind, Makeup tragen oder schwul sind? Sind wir weniger männlich, wenn wir nicht jede Naturgewalt bezwingen, kein noch so tödliches Risiko scheuen oder jede Bedrohung in der Luft zerfetzen?

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Was bedeutet es, männlich zu sein?

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Zum Glück habe ich JD kennengelernt!

Lange habe ich Männer verachtet, gegen sie und das Patriarchat gewettert und den Stimmen des Feminismus bestimmungslos zugestimmt. Letzteres werde ich weiter befürworten.

Zum Glück habe ich Sofie kennengelernt, denn sie hat mich gefragt, was für ein Mann ich denn sein möchte.

Zum Glück hat sie mir Stefanie Stahl gezeigt, die mir beibrachte, meine Gefühle wahrzunehmen und ernst zu nehmen.

Ich habe Frauen immer bewundert, sie waren mir in der Regel die liebsten Menschen. Ich habe sie für ihre Sensibilität bewundert und ihren Mut, in Kontakt mit ihren Gefühlen zu treten. Ich habe sie für ihre Kraft bewundert, sich gegen Jahrtausende des Patriarchats zu stellen und unermüdlich diese Strukturen einzureißen. Während Männer sich stoisch ihrem Schicksal ergeben und ihren versteckten Schmerz ertragen, haben Frauen die Welt Tag für Tag zu einem besseren Ort gemacht. Ich glaube, ihre Kraft liegt in ihrer Sensibilität und ihrem Mut zu ihren Gefühlen. Wir Männer können viel und natürlich alles besser als Frauen, aber wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, können wir zugeben, dass wir viel von Frauen lernen können. Ich bin gerne ein Mann, aber nicht so ein Mann.

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Die Kraft der Sensibilität

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Zum Glück habe ich Stefanie Stahl kennengelernt, denn sie hat mir gezeigt, dass Sensibilität mich näher zu mir bringt, mir gezeigt, dass ich so verletzt bin, dass ich vor allen Leuten in der Bahn in Tränen ausgebrochen bin und keine Scham empfunden habe, sondern nur unendliche Dankbarkeit.

Sie hat mir gezeigt, dass meine Sensibilität wichtig ist.

Sie ist wichtig, damit ich mich verstehe.

Sie ist wichtig, dass ich mich, meine Gefühle und mein Befinden wahrnehmen kann.

Sie ist wichtig, dass ich Grenzen setzen kann und mich beschützen kann.

Sie ist überlebenswichtig, denn ich wäre nicht mehr hier, wenn es nicht Stefanie Stahl und Sofie gegeben hätte.

Es ist die Sensibilität, mit der wir mit unseren Gefühlen in Kontakt treten können und ich meine nicht nur die großen wie Wut, Hass, Liebe und Depression. Mit ihr spüren wir die kleinen Gefühle. Diese Signale werden von der Männlichkeit kategorisch verdammt und es wird von uns verlangt, sie zu verdrängen. Es ist uns erlaubt, diese Gefühle mit Alkohol, Drogen, Kampf, Sex und Sport zu ersticken, bis wir nicht mehr können.

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Ich konnte nicht mehr

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Ich konnte nicht mehr und ich will auch nicht mehr.

Ich möchte mich meiner Sensibilität hingeben, denn ohne sie wäre ich nicht mehr hier.

Auch wenn wir Männer alles können, besser können und vor allem besser können müssen, sonst sind wir ja weniger männlich, macht uns das krank.

Es verbietet uns, wir selbst zu sein!

Ich will das nicht mehr, ich will sein, was auch immer ich bin und vor allem will ich nicht sein, um männlich zu sein.

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Ich bin gerne ein Mann

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Aber ich bin gerne ein Mann!

Ich pinkle gerne meinen Namen in den Schnee!

Ich fühle mich stark, wenn ich das Kanu vom Dach lupfe!

Männer können viel, aber sie dürfen nicht sein.

Ich möchte ein Mann sein, aber nicht so ein Mann.

Ich glaube, in der Männlichkeit finde ich keine Antwort.

Ich glaube, ich finde sie in der Weiblichkeit!

Ich will mir die Weiblichkeit zu eigen machen und für mich transformieren, um der Mann zu werden, der ich wirklich sein will.

Wer oder was das ist, kann ich nicht sagen, ich will es auch gar nicht wissen.

Ich freue mich darauf, meine neue Männlichkeit zu entdecken und SIE werden mich darum beneiden.

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